19. Juni 2022

Positiv denken

Weshalb kann es gefährlich sein, positiv zu denken?

René Descartes Grundsatz: cogito ergo sum „Ich denke, also bin ich.“ Was du denkst, das bist du, auch mit all unseren Zweifel.

Manchmal höre ich Klienten, die sagen: „Ich bin ein positiv denkender Mensch.“ Wenn ich diesen Satz höre, dann frage ich mich, ist das wirklich so? Denn hinter dieser Äusserung kann es sich um ein Schönreden handeln, weil mehr dahintersteckt. Etwas, das beschäftigt, nicht zulassen müssen, können oder wollen, vielleicht nicht gesehen wird.

Dieser Satz, einfach so dahingesagt, bringt noch lange nicht ein nachhaltiges positives Denken hervor.

Ich kenne selbst solche Situationen. Mittlerweile weiss ich, dass ich mit gezielten Fragen klären kann, ob es sich wirklich um ein Ausweichmanöver handelt. Es gibt verschiedene Gründe dafür.

Es kann insofern eine „Gefahr“ darstellen, wenn es nicht stimmt, dann kann die Unzufriedenheit im Unterbewusstsein weiterarbeiten.


Was ist ein Glaubenssatz?

Das Wort Glaubenssatz setzt sich zusammen aus: Den Satz glauben.

Wissen wir wirklich, wann es sich um einen Glaubenssatz handelt? Wenn ja, um einen positiven oder negativen? Ich mag es zu bezweifeln, dass wir all unsere Glaubenssätze kennen. Du wirst mir vielleicht beipflichten. 

Die bekanntesten Glaubenssätze sind: „Ich bin zu dick, zu dünn, zu doof, zu alte, zu schrecklich …“ oder „Ich schaffe das, kann das, erreiche mein Ziel, bin gut genug …“

Von aussen gesehen, können dies Aussagen völlig diametral sein. Denn philosophisch gesehen, lebt jeder in seiner Welt, sieht sie mit seinen Augen und erlebt sie mit seinen Emotionen und Denken.

Glaubenssätze geben uns Stabilität und Sicherheit, es sollten nur die richtigen sein.


Wann kann der Glaubenssatz: «Ich bin ein positiv denkender Mensch!» gefährlich werden?

In der Kindheit wurde uns schon beigebracht, dass man zufrieden und dankbar sein soll mit dem, was man hat und ist. Per se ist das nichts Negatives und eine wichtige Einstellung zum Leben.

Doch es gibt gewisse Grenzen. Ein Beispiel einer Klientin:
Eine Mutter mit zwei Kindern, verheiratet, nicht berufstätig, die Familie macht mehrmals im Jahr Ferien. Sie besitzen zwei Autos, finanziell geht es ihr gut.

Eigentlich hat sie alles, was das Herz begehrt. Doch, sie ist nicht glücklich, da sie nach der Geburt ihren Beruf an den Nagel hängen musste, weil ihr Mann beruflich oft im Ausland unterwegs ist.

Ihre Bestätigung bleibt aus und sie ist eine unzufriedene, unglückliche Mutter. Sie sagt sich jeden Tag: „Ich muss doch glücklich und zufrieden sein, andere haben nicht dieses Glück.“ Vielleicht sagt auch ihr Umfeld, „hey, sei doch glücklich und zufrieden.“ Dann fühlt sie sich noch mehr unter Druck, positiv zu denken. 

Diese Aussage macht sie nicht glücklich, im Gegenteil. Es entfernt sie mehr und mehr von ihrem eigentlichen Thema weg, mit dem sie sich auseinandersetzen sollte. Eine Lösung findet sie nur dann, wenn sie sich ihrer Bedürfnisse, ihrer Ziele bewusst ist. Erst dann kann sie ihre Lösung finden. 

Solche „positiv denkende Menschen“ sind oft „Schönredner“.  Es fühlt sich mühsam, zäh, hindernd an, verwässert das Problem und blockiert. Das braucht enorm viel Kraft.

Bestimmt ist das nicht Absicht und oft ist man sich solcher Glaubenssätze gar nicht bewusst.


Wie kann ich erkennen, dass ich mir etwas vormache und Schönrede?

Wenn du genau in dich hineinfühlst, beim positiven Denken, dann merkst du, ob es sich gut anfühlt oder nicht.

Sobald du ständig und mit viel Aufwand, die positive Sicht der Dinge aufzählen musst, dann stimmt etwas nicht. Wo ist nun das gute Gefühl, dass es hinterlassen sollte?

Dadurch kannst du die Chance verpassen, der Ursache für dieses mühsame und aufreibende «positive Denken», auf den Grund zu gehen.

Im schlimmsten Fall dauert das Schönreden an und du vergeudest viele deiner Jahre, die du glücklicher und zufriedener gelebt hättest. 


Dankbarkeit und positives Denken

Wir kennen bestimmt alle Situationen, oder haben Erfahrungen gemacht, die grosse Herausforderungen in unserem Leben waren.

Dankbarkeit, Beispiele: Ich spreche von einem 55-jährigen Mann, der 5 Jahre zuvor, nach einem Herzinfarkt, knapp am Tod vorbeischrammte ist.
Eine 35-jährige Frau, die um ihre neugeborene Tochter bangte, dass ihr Kind leben wird, das Kind überlebt.

Positiv denken, Beispiel: Eine 52-jährige Frau, frisch geschieden, Mutter und Hausfrau, die einen Wiedereinstieg ins Berufsleben wagt. Sie bekommt den Job. Sie denkt positiv und ist guten Mutes, weil sie unabhängig sein möchte und bald wieder auf ihren eigenen Beinen stehen. Da stimmen auch ihre Ziele mit dem positiven Denken überein.

In all diesen Beispielen spielt Dankbarkeit eine wichtige Rolle und dauert an, wenn wir sie in Erinnerung rufen.

Diese Erfahrungen können uns dabei unterstützen, positiv zu denken. Ich habe «diese Situation» gemeistert, also schaffe ich in Zukunft ähnliche Herausforderungen auch.


Welche Grenzen hat das positive Denken?

Lass mich das an einem Beispiel erklären.

Ich habe vor über 10 Jahren auf meinen ersten Marathon in Berlin trainiert. Minutiös habe ich einen sechsmonatigen Trainingsplan umgesetzt. Zuerst musste ich meine Zweifel ausräumen, „schaffe ich den Marathon?“. Ich bin ihn übrigens glücklich und ohne Beschwerden, gelaufen.

Hätte ich nur positive gedacht, wäre ich bestimmt nicht so gut und unverletzt im Ziel eingelaufen. Im Gegenteil, es wäre zusätzlicher Stress entstanden.

Diese Erfahrung hat mich positiv weitere Marathonläufe laufen lassen. 

Oder ein weiteres Beispiel: Ohne Lernaufwand kann kaum ein positives Prüfungsergebnis, «nur» mit positiven Denken hergezaubert werden.  


Wie erkennen wir einen positiv denkenden Menschen?

Einen positiv denkenden Menschen erkennen wir daran, dass er eine positive Ausstrahlung hat. Er strahlt das aus, was er denkt. Er „muss“ nicht „positiv denken“, es kostet ihn keine Mühe, sondern es geschieht. Es fühlt sich leicht und stimmig an. Das nehmen wir auch in seiner Nähe wahr.


Was ist der Vorteil, positiv zu denken?

Positiv denkende Menschen sind meist lösungsorientiert. Das bedeutet, dass sie auch bereit sind, dem Negativen die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.


Mein Fazit:

Sobald wir das Gefühl haben, krampfhaft positiv zu denken, dann sollte man den Mut haben, dieser Tatsache auf den Grund zu gehen. 

Ein positiv denkender Mensch ist grösstenteils auch bereit, negativem auf den Grund zu gehen und die nötige Aufmerksamkeit zu geben.

Sie sind meist lösungsorientiert im Leben unterwegs. Dabei wirkt es sich positiv auf unser psychisch und physische Gesundheit aus.

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